Das Wort zum Freitag: Kundenfreundlichkeit und Flexibilität.
Heute hatte ich ein mehr als nur leicht befremdliches Zusammentreffen mit einer Dann-doch-nicht-Kundin, über das ich mich nachhaltig geärgert habe. Frau Erpenbeck* hatte in der vergangenen Woche einen Termin für Bewerbungsfotos mit mir vereinbart. Bei telefonischem Erstkontakt geht meinen Shootings immer eine kleine Besprechung voran, in der besondere Wünsche geäußert und Fragen geklärt werden können und ich meine Kunden zum Beispiel bei der Wahl ihres Outfits berate.
Mit Frau Erpenbeck hatte ich ein kurzes Standard-Telefonat: keine besonderen Vorkommnisse. Am Tag des Shootings nahm ich bei ihr erst einmal einige Lichteinstellungen vor – ein Standardprozedere, um die „Schokoladenseite“ meiner Kunden auszutarieren. Zuvor hatte Frau Erpenbeck mir auf ihrem Smartphone ein älteres Schwarz-Weiß-Portrait gezeigt, das in Haltung, Ausdruck und Beleuchtung nicht wirklich nach einem Bewerbungsbild aussah; als Parallele zum Shooting zog ich daher innerlich nur ihren Hinweis, sie hätte lieber ein recht frontales Foto. Weiter als bis zu den beiden Testfotos kam ich allerdings gar nicht – noch bevor ich mit dem eigentlichen Fotografieren loslegen konnte, wies mich Frau E. darauf hin, dass ihr der Bildausschnitt nicht gefalle, sie lieber mehr vom Oberkörper sehen würde und überhaupt, ein weißer Hintergrund ja gar nicht ginge und sie wie auf dem vorher gezeigten Foto lieber einen schwarzen hätte.
Nun besitze ich schlichtweg keinen schwarzen Hintergrund. Ich fotografiere nicht gerne vor Schwarz, ich finde Schwarz bei Bewerbungsfotos nicht ansprechend – und ich zeige auf meiner Bewerbungsfoto-Seite auch kein einziges Bild vor schwarzem Hintergrund. Stattdessen liegt auf meinen Fotos eine leichte digitale Vignette, die bei den über 70 Bewerbungsfoto-Kunden, die ich im letzten Jahr fotografiert habe, eigentlich auch immer positiv aufgenommen wurde.
Ich bot also höflich an, dass ich bei ihr eine stärkere digitale Abdunklung hinzufügen könnte. Frau Erpenbeck lehnte mit dem Kommentar ab, dass man sich das dann ja auch gleich sparen könnte, sie schon viele Fotografen gesehen hätte, aber ihr noch keiner untergenommen wäre, der keinen schwarzen Hintergrund besäße, und das mit Kundenfreundlichkeit und Flexibilität ja auch nichts zu tun hätte, sie nun eine Woche mit dem Warten auf die Fotos verschwendet hätte und ich doch mein Portfolio als Fotograf gefälligst noch einmal überdenken sollte. Dann rauschte sie grußlos aus der Tür.
Sicher hatte ich auch vorher bereits schlechte Erfahrungen mit Kunden, die im Nachhinein dann zum Beispiel aus unerfindlichen Gründen doch nicht mehr mit dem Bild zufrieden waren, das sie zuvor regelrecht in den Himmel gepriesen hatten. Aber dieser Fall hat mich besonders irritiert. Schließlich zeigt mein Bewerbungsfoto-Portfolio nunmal zu 90% den exakt gleichen Stil: kontrastreich bearbeitete Querformat-Portraits mit Anschnitt im Schulterbereich, mit leichter Vignette vor weißem Hintergrund fotografiert. Warum also vereinbart jemand einen Termin bei einem Fotografen, der offensichtlich einen gänzlich anderen Bildstil als den selbst gewünschten auf seiner Webseite zeigt?
In jedem Fall weise ich entschieden zurück, dass das Fehlen eines schwarzen Hintergrunds Rückschlüsse auf meine Kundenfreundlichkeit und Flexibilität zulässt.
Kundenfreundlichkeit und Flexibilität: Das heißt für mich, auch am Wochenende noch mehrere Abendtermine zu vergeben, für Shootings zum Selbstkostenpreis durch ganz Deutschland zu fahren und auch diejenigen Kundenwünsche erst einmal mit vollem Einsatz zu erfüllen, bei denen ich selbst etwas ganz anderes empfohlen hätte. Es heißt, auf meine eigenen Kosten auch mal doppelt oder dreimal so lange im Studio zu bleiben, wie es normalerweise der Fall wäre, wenn ich mit den bisherigen Fotos noch nicht hundertprozentig zufrieden bin – wenn meine Kunden nicht zufrieden sind, sowieso. Es heißt, auch in den Momenten, wo ich mich am liebsten einfach nur aufs Sofa legen und den verlorenen Schlaf aus den letzten Arbeitsnachtschichten nachholen würde, meinen Kunden noch die beste Erfahrung und den angenehmsten Kontakt zu bieten, die sie sich für ihren Besuch erhofft haben. Fotografie ist für mich mehr, als nur ein paar Mal auf den Auslöser zu drücken. Fotografie ist auch, Menschen ein gutes Gefühl von sich selbst zu geben.
Dabei erhebt meine Arbeitsweise und auch mein fotografischer Stil keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit und muss beileibe nicht jedem gefallen. Aber das ist das Schöne an meiner Branche: Sie haben die absolute Wahl. Wenn Sie bei meinen Bildern ein Aha-Erlebnis haben: Wunderbar! Wenn Ihnen ein anderer Fotograf mehr zusagt: auch kein Problem.
Nur eines sei aber gesagt: Ich stecke viel Energie und Herzblut in meine Fotos und den Kundenkontakt und habe nicht im Geringsten das Bedürfnis, mich mit Menschen herumzuschlagen, die eigentlich von vornherein nicht mit meiner Arbeit zufriedenzustellen sind. Wenn Sie an einem respektvollen Umgang und einer offenen, freundlichen Kommunikation nicht interessiert sind, investieren Sie lieber in ein Stativ und eine Digitalkamera. Ich kann dank der überragenden Mehrheit an aufgeschlossenen, sympathischen Kunden, mit denen ich im letzten Jahr zusammenarbeiten durfte, bestens auf Sie verzichten.
* Frau Erpenbeck heißt in Wirklichkeit natürlich anders. Vielen Dank an dieser Stelle an den „Realnamen-Generator“.
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